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Umgang mit Menschen mit demenzieller Erkrankung als Aufgabe sozialer Arbeit

Erstprüfer: Alfred Grobbel, Zweitprüferin: Prof. Dr. Wiebke Ammann, Protokollant: Prof. Bruno Herrmann

Inhaltsverzeichnis

 

1.      Einleitung: Projektbeschreibung. 3

2.      Thesen. 5

2.1.     These I: 5

2.2.     These II: 6

2.3.     These III: 7

3.      Literaturverzeichnis. 8

3.1.     Zitierte Literatur. 8

3.2.     Weitere verwendete Literatur: 9


 

1.      Projektbeschreibung

 

Begegnungsmöglichkeiten für Menschen mit Demenz

Projektpraxis in der Altenbegegnungs- und Beratungsstelle Lindenbaum des Caritasverbands Hannover

 

Praxisfeld: Die Projektpraxis führte ich in der Altenbegegnungs- und Beratungsstelle Lindenbaum durch, einer ambulanten Einrichtung für gerontopsychiatrische erkrankte Menschen. Dort leitete ich acht Monate lang zwei jeweils einmal wöchentlich stattfindende Gruppen für Menschen mit einer demenziellen Erkrankung. An dem halboffenen Gruppenangebot nahmen jeweils sechs Menschen, überwiegend Frauen, teil. Die Teilnehmer/innen wohnten zu Hause, meist alleine. Begleitet wurden die Gruppen zudem von einem/einer freiwilligen Helfer/in. Die Anleitung fand durch eine Diplom-Pädagogin statt.



 

Problemlage: Problemlagen der Teilnehmer/innen, die für die Soziale Arbeit relevant sind, sind die sozialen Probleme. Dabei handelt es sich um praktische Probleme, die sich für Menschen im Zusammenhang mit der Befriedigung ihrer Bedürfnisse ergeben. Dabei ist es diesen Menschen nicht möglich, ihre Probleme mit den vorhandenen Ressourcen zu beheben. Diese stehen im Zusammenhang mit ihrer Einbindung in soziale Systeme. Dabei können verschiedene Problembereiche unterscheiden werden: Solchen, die mit der individuellen Ausstattung zusammenhängen, anderen den Austauschbeziehungen verknüpft sind oder jenen die im Kontext von Machtbeziehungen entstehen. Soziale Arbeit bewegt sich somit im Spannungsfeld zwischen Individuum und Gesellschaft.

 

Viele Teilnehmer/innen der von mir geleiteten Gruppen verbrachten viel Zeit alleine und ihnen fehlte die Einbindung. Einige lebten sozial sehr isoliert. Dabei wurde das Bedürfnis nach Beziehung und Austausch nicht erfüllt. Aufgrund eingeschränkter verbaler Fähigkeiten einiger Teilnehmer/innen kam es zudem zu sozialem Ausschluss. Sie konnten sich wenig am kulturellen Leben beteiligen. Die Isolation ist dabei nicht alleinige Folge der Demenz, sondern auch ein Interaktionsproblem, dass auf Wechselseitigkeit beruht. Eingeschränkte Mobilität, nicht allein durch eingeschränkte Orientierung, sondern auch bedingt durch erschwerte Moblität und sterben von Angehörigen und Freunden tragen zur Einsamkeit bei. Die Beziehungsstrukturen waren vielfach einseitig. D h.,dass die Menschen, die in die Gruppe kamen, vielfach in abhängigen Beziehungen (Pflege) lebten und wenig selbst beitragen konnten. Menschen mit Demenz wird zudem wenig Anerkennung entgegengebracht. Damit wurde das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung nicht erfüllt.

 

Ressourcen, um diese Probleme zu beheben lagen vor allem in den biographischen Erfahrungen, dem Langzeitgedächtnis und der Gefühlswelt der Betroffenen.

 

Ziele: Übergeordnetes Ziel war es, Wohlbefinden und Zufriedenheit zu fördern. Das steht auch im Einklang mit den allgemeinen Zielen Sozialer Arbeit nach der Definition der IFSW (International Federation of Social Work). Durch Ressourcenorientierung und Ansetzen an der Biographie wurde das Kompetenzerleben der Betroffenen gestärkt. Im Rahmen der Gruppenarbeit konnte zudem die Einsamkeit für eine gewisse Zeit durchbrochen werden und Kontakte konnten aufgebaut werden, Austausch war möglich. Durch Orientierung an der Biographie kann Vertrautheit entstehen. Ein weiterer wichtiger Aspekt war es, Sicherheit zu vermitteln.

 

Grundhaltung: Meine Grundhaltung bei der Arbeit war person-zentriert. Ich ging also mit den Betroffenen mit, orientierte mich an deren Bedürfnissen und nahm sie als Personen wahr.

 

Konzept: Handlungsleitendes Konzept für die Arbeit war das Empowerment. Bei diesem Konzept geht es darum geht, Möglichkeiten die eigene Stärke zu erfahren und sich mit anderen zu vernetzen. Mit der Orientierung an der Biographie konnte ich an den Stärken der Betroffenen anknüpfen, denn Erlebnisse, die im Langzeitgedächtnis gespeichert sind, werden länger erinnert. Über die Brücke der Vergangenheit konnte auf diese Weise in der Gegenwart kommuniziert werden. Die Gruppenstunde stand jeweils unter einem bestimmten Thema. Das Thema (im Sinne von TZI) nutzte ich, um die Teilnehmer/innen miteinander in Kontakt zu bringen, sich auszutauschen, Begegnungen zu ermöglichen. Im Gespräch mit Einzelnen verwendete ich zudem Elemente der Integrativen Validation, bei der die Biographie ebenfalls eine Basis bildet.

 

Fazit: Durch die Teilnahme an der Gruppe konnten die Klient/innen für einige Zeit aus der Einsamkeit herauskommen, Freude erleben, an Bekanntes anknüpfen, ihre Stärken wieder entdecken. Außerdem erlebten sie auch die Anerkennung der anderen Teilnehmer/innen, wenn sie von ihren Erfahrungen berichteten. Mit Menschen in einer ähnlichen Situation konnten symmetrische Austauschbeziehungen aufgebaut werden. Die Teilnehmer/innen waren froh, dass es ein solches Gruppenangebot gab und es konnte ein Gruppengefühl entstehen. Auch konnte ich mit der Zeit durch den regelmäßigen Kontakt das Vertrauen der Teilnehmer/innen gewinnen.


2.  

 

 

2.1.                  

Aufgrund der Komplexität des Phänomens Demenz, sollte man sich dieser Erscheinung von verschiedenen Seiten nähern, um ein möglichst vollständiges Bild zu erhalten.

 

 

 

Erläuterung:

Soziale Arbeit als ganzheitliche Profession sollte im Umgang mit dem Thema Demenz sowohl das vorherrschende medizinische Paradigma berücksichtigen, als auch den sozialen/rehabilitativen Ansatz sowie das Citizenship-Modell. Diese drei Ansätze stellen keine Alternativen dar, sondern können als drei Seiten eines Dreiecks gesehen werden (vgl. Marshall & Tibbs 2006, S. 18). Dabei sollte es Menschen mit Demenz ermöglicht werden, Person zu sein (vgl. Kitwood 2005). Auch die Sicht der Betroffenen sollte - soweit dies möglich ist - berücksichtigt werden.


 

 

2.2.                  

Für die Notwendigkeit, eine Betreuung einzurichten, ist weniger die Tatsache einer psychischen Erkrankung oder Behinderung (z. B. Demenz) alleine ausschlaggebend. Vielmehr ist die Qualität des sozialen Netzwerkes mitentscheidend (vgl. Hoffman & Korte 2005, S. 93).

 

 

Erläuterung:

Kann ein volljähriger Mensch aufgrund von psychischer Krankheit oder Behinderung (z. B. Demenz) seine Angelegenheiten nicht besorgen, kann eine rechtliche Betreuung eingerichtet werden. Diese setzt auch voraus, dass andere Hilfen nicht ausreichen. Zu diesen Hilfen gehört z. B. die Unterstützung durch einen Bevollmächtigten oder auch Hilfen, für die kein gesetzlicher Vertreter erforderlich (vgl. Beck-Texte 2005, S. 32). Je besser das soziale Netzwerk, desto mehr solcher Hilfen stehen zur Verfügung.

 

Das Gruppenangebot in meiner Projektpraxis kann als ein Teil des sozialen Unterstützungsnetzwerkes betrachtet werden. Es kann deshalb dazu beitragen, die Notwendigkeit gesetzlicher Betreuungsmaßnahmen zu reduzieren.


 

 

2.3.                  

Biographiearbeit bzw. Erinnerungspflege hilft sowohl den Menschen mit Demenz als auch den Begleiter/innen (Angehörigen, Pflegekräften, Sozialarbeiter/innen).

 

 

 

Erläuterung:

Erinnerungspflege, also sich auf Erlebnisse und Erfahrungen zu besinnen und sich mit anderen darüber auszutauschen, schafft Brücken. Dies gilt  z. B. auch zwischen einem Menschen mit Demenz und den Angehörigen. Sie ermöglicht damit Beziehung. Denn über die Erfahrungen der Vergangenheit, kann in der Gegenwart kommuniziert werden. Dies kann für beide Seiten befriedigend sein. Die Evalution des europäischen Projekts "Remembering Yesterday, Caring Today" zeigte zudem, dass die Interaktionen zwischen Angehörigen und Betroffenen intensiviert. Während die Interaktion zuvor meist von den Angehörigen dominiert wurde, fand während der Erinnerungaktivitäten eine gleichwertige Interaktion statt (vgl. Woods 2003). Damit entsteht, wenigstens zeitweise, Austauschgerechtigkeit und Begegnung, eines der Ziele Sozialer Arbeit (vgl. Staub-Bernasconi 2005).  

Indem Menschen mit einer demenziellen Erkrankung handeln, versuchen sie Kompetenz, Selbstachtung und Identität für sich zu sichern. Wissen über die Biographie von Menschen mit Demenz ermöglicht es, ihr Handeln besser zu verstehen und zu erfahren, was sie beschäftigt. Die Biographie hilft ferner, Menschen mit einer demenziellen Erkrankung, mit den gegenwärtigen Anforderungen umzugehen (vgl. Trilling et al. 2001, S. 42 ff.).

 

Des Weiteren knüpft Erinnerungsarbeit an den Stärken der Menschen mit Demenz an: nämlich dem Langzeitgedächtnis und den Gefühlen (Müller 2002, S. 7 f.) und ist damit eine Ressourcenorientierte Methode.

 


3.    Literaturverzeichnis

 

3.1.  Zitierte Literatur

 

Beck-Texte (2005): Betreuungsrecht. 7. aktualisierte Aufl. München.

 

Hoffmann, Michael & Korte, Miguel Tamayo (2005): Ganzheitlich und dennoch differenziert. Das Forschungsprojekt über die Lebenslage älterer Menschen mit rechtlicher Betreuung legt Endbericht vor. In: Betreuungsrechtliche Praxis, 3, S. 91 – 98, Köln.

 

Kitwood, Tom (2005): Demenz. Der person-zentrierte Ansatz im Umgang mit verwirrten Menschen. Deutschsprachige Ausg. herausgegeben von: Müller-Hergl, Christian. 4., unveränderte Aufl. Bern, Göttingen usw.

 

Marshall, Mary & Tibbs, Margaret-Anne (2006): Social Work and People with Dementia. Partnerships, Practice and Persistence. Bristol.

 

Müller, Dagmar (2002): Lebendige Lebensgeschichte - Biografieorientiertes Arbeiten als „Königsweg“ zum Menschen mit Demenz?. In: Steiner, Irene & Händel, Hans-Ulrich (Hrsg.): Erinnern heißt Leben - Anwendungsmöglichkeiten der Erinnerungspflege in Einrichtungen der Altenhilfe, Sindelfingen & Oberndorf, S. 4 - 15.

 

Trilling, Angelika; Bruce, Erollyn; Hodgson, Sarah;Schweitzer, Pam  (2001): Erinnerungen pflegen. Unterstützung und Entlastung für Pflegende und Menschen mit Demenz, Hannover.


 

 

3.2.  weitere verwendete Literatur:

 

Buber, Martin (2006): Ich und Du. Stuttgart.

 

Bruce, Errollyn (2003): Best Practice. Erinnerungspflege in der Gemeinde - ein Angebot an Familien. In: Kuratorium Deutsche Altershilfe (Hrsg.): GeroCare-Report – Menschen mit Demenz erreichen. Köln, S. 33 - 50.

 

Cloerkes, Günther (2001): Soziologie der Behinderten. Eine Einführung. 2. Aufl. Heidelberg.

 

Dörner, Klaus; Plog, Ursula; Teller, Christine; Wendt, Frank (2004): Irren ist menschlich. Lehrbuch der Psychiatrie und Psychotherapie. 2. korrigierte Aufl. Bonn.

 

Galuske, Michael (2005): Methoden der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. 6. Aufl. Weinheim & München.

 

Geiser, Kaspar (2007): Problem- und Ressourcenanalyse in der Sozialen Arbeit. Eine Einführung in die systemische Denkfigur und ihre Anwendung. 3. überarbeitete Aufl. Luzern.

 

International Federation of Social Workers (2000): Definiton of Social Work, Montreal/Kanada. Quelle: Internet, URL: http://www.ifsw.org/en/p38000208.html.

 

Schulz-Hausgenoss (2004): Die Bedeutung der Sozialen Arbeit in der Behandlung von Demenzerkrankungen. In: Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit, 6. S. 27 – 33. 

 

Staub-Bernasconi, Silvia (2005): Soziale Arbeit und soziale Probleme. Eine disziplin- und professionsbezogene Bestimmung. In: Thole, Werner (Hrsg.): Grundriss Soziale Arbeit. Ein einführendes Handbuch. 2. überarbeite & erweiterte Aufl. Wiesbaden.

 

Stoppe, Gabriele (2006): Demenz. München & Basel.

 

Woods, Bob (2003): Evaluierung von Erinnerungsarbeit mit Menschen mit Demenz. In: Kuratorium Deutsche Altershilfe (Hrsg.): GeroCare-Report – Menschen mit Demenz erreichen. Köln, S. 59 – 64.

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