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Hier soll nun das Konzept zur Gesundheitsreform von CDU/CSU vorgestellt werden und mögliche Auswirkungen diskutiert werden.



3        Die solidarische Gesundheitsprämie: das Konzept  von CDU/CSU

 

Dieses Modell einer Gesundheitsprämie wurde von der Herzog-Kommission entwickelt (vgl. Herzog-Kommission, 2003). Nach Uneinigkeiten zwischen CSU und CDU wurde schließlich ein Kompromiss erzielt, mit dem Konzept einer „solidarischen Gesundheitsprämie“ in den Wahlkampf 2005 zu ziehen.

 Bei der Prämie handelt es sich um einen monatlichen Pauschalbetrag, der unabhängig vom Einkommen gezahlt wird (vgl. Wikipedia, 2005).



 3.1    Ziele

 Durch die Umstellung auf Kopfpauschalen soll das deutsche Gesundheitssystem zukunftsfähig gestalten werden, um für alle eine Gesundheitsversorgung hoher Qualität zu gewährleisten, neue Arbeitsplätze zu schaffen und das Wachstum im Gesundheitssektor anzukurbeln (vgl. CDU, 2005a, S. 1). 

Die Gesundheitskosten sollen von den Arbeitskosten abgekoppelt werden, damit steigende Kosten im Gesundheitswesen nicht zu höheren Arbeitskosten führen. So soll für Unternehmen die Einstellung von Arbeitskräften attraktiver werden (vgl. Wikipedia, 2005) und damit den Arbeitsmarkt beleben.

Befürworter der Gesundheitsprämien prognostizieren des Weiteren die Beseitigung von Beitragsungerechtigkeiten im bestehenden Finanzierungssystem der GKV. Unerwünschte Versicherungspflichtgrenzen sollen beseitigt werden, da sie dem Leistungsfähigkeitsprinzip widersprechen (vgl. Pfaff & Pfaff, 2004, S. 31). 

Ferner soll durch das Prämienmodell der Christdemokraten eine bessere Gesundheitsversorgung durch mehr Wettbewerb erreicht werden (vgl. Beck & Borchert, 2005). Mehr Wettbewerb zwischen Kassen und Versicherungen soll die Wirtschaftlichkeit fördern und damit weniger Kosten für die Versicherten verursachen (vgl. CDU, 2005a, S.1). 

Ob diese unterstellten Vorteile tatsächlich die Kritikpunkte am bestehenden System verbessern können, soll in einer abschließenden Diskussion beurteilt werden.


Zunächst soll jedoch geklärt werden wie das Konzept nun aussieht?

 3.2    Das Prinzip auf einen Blick

Für jeden Versicherten erhalten die Krankenkassen als kostendeckenden Betrag eine Prämie. Ein früherer Entwurf zusätzlich eine Vorsorgepauschale zu erheben, um einer alternden Gesellschaft vorzubeugen – wie auch bei den privaten Versicherungen üblich – wurde wieder verworfen (vgl. Neubacher & Neukirch, 2005). Die Höhe der Pauschale richtet sich dabei nach der Höhe der durchschnittlichen Kosten pro Versicherten (vgl. Wirtschaft und Schule, Lexikon 2005).

Weiter soll der der Anteil der Arbeitgeber an der Prämie gesenkt und nicht mehr erhöht werden, damit die Arbeitgeber nicht weiter belastet werden.

Die Leistungen, die im Interesse der Allgemeinheit sind, sollen von der Allgemeinheit finanziert werden wie beispielsweise die Finanzierung der Versicherung von Kindern (vgl. ebd.).

Um das soziale Gleichgewicht zu gewährleisten, greift für Versicherte mit geringem Einkommen ein sozialer Ausgleich (vgl. CDU, 2005a, S. 2).


 3.3    Kosten der Prämie

Zunächst war ein Beitrag von mehr als 200 Euro in der Diskussion. Nun verständigte man sich auf  einen Gesamtbetrag von 169 Euro je Versicherten. Dieser setzt sich zusammen aus einem Arbeitgeber- und einem Arbeitnehmeranteil:



 3.3.1      Belastung der Arbeitnehmer (Persönliche Gesundheitsprämie)

Nach aktuellen Berechnungen zahlt jeder Versicherte 109 Euro pro Monat, maximal jedoch 7 % des Einkommens. Ob auch Nebeneinkünfte wie Zinsen und Mieten als Einkommen berechnet werden ist nicht entschieden (vgl. Wikipedia, 2005). Die 109 Euro stellen Durchschnittswerte über alle hinweg Kassen dar (vgl. Kreutz, 2005).

Bisher kostenfrei mitversicherte Ehepartner und volljährige Kinder, die sich noch in der Ausbildung befinden (z. B. StudentInnen), sind voll beitragspflichtig.

Da die hohen Prämien zu starken sozialen Ungerechtigkeiten führen würden ist  ein steuerfinanzierter Sozialausgleich geplant (vgl. Kreutz, 2005). Finanziell schlechter Gestellte werden außerdem über die Einkommenssteuer entlastet. 

 3.3.2      Belastung der Arbeitgeber (Arbeitgeberanteil der Prämie):

Der vom Bruttolohn abhängige Beitragsanteil des Arbeitgebers wird, wie bereits erwähnt, dauerhaft bei 6,5 % Lohns fixiert. Damit gehen Beitragserhöhungen bedingt z. B. durch demographischen Wandel und medizinisch-technischen Fortschritt allein zu Lasten der Arbeitnehmer. Ziel ist es den Anstieg der Lohnnebenkosten zu reduzieren, der mitverantwortlich gemacht wird für die hohe Arbeitslosigkeit und das geringe Wirtschaftswachstum (vgl. Peter, 2005, S. 1, Wikipedia, 2005a).

Die Beiträge der Arbeitgeber sollen auf den Bruttolohn des Arbeitnehmers aufgeschlagen und voll versteuert werden. Diese zusätzlichen Steuereinnahmen fließen in einen Gesundheitsfonds. Aus diesem Fonds sollen 60 Euro an die Krankenkassen ausgezahlt werden. Mit den zusätzlichen Einnahmen sollen die Versicherung für Kinder und der Sozialausgleich für Geringverdiener finanziert werden (vgl. Mielke, 2005, Wikipedia, 2005a).



 3.3.3      Versicherung von Kindern

Für Kinder soll eine Pauschale von 78 Euro erhoben werden. Diese zahlen jedoch nicht die Eltern, sondern sie würde – wie schon erwähnt -  vollständig aus Steuermitteln finanziert werden (vgl. Heute, 2004). 

 3.3.4      Private Versicherung

Geht es nach den Vorstellungen der CDU, soll die Gesundheitsprämie keine Versicherung für jeden sein. Im Gegensatz zu dem Modell der Bürgerversicherung soll die Pauschale nur für die rund 72 Millionen gesetzlich Versicherten eingeführt werden (vgl. Tagesspiegel Online, 2004). Umstritten ist allerdings, wie hoch die Beitragsermessensgrenze für die Wahl einer privaten Krankenversicherung sein soll (vgl. Kreutz, 2005). Damit entziehen sich dennoch die höheren Einkommensschichten weiterhin aus der Solidargemeinschaft. Ein in Europa einmaliger Tatbestand (Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS), 2005).



 37.4    Kosten für den Fiskus und Finanzierung

Von Experten werden die Kosten des sozialen Ausgleichs auf 25 bis 40 Milliarden Euro geschätzt (vgl. Mielke, 2005). Die Öffentlichen Haushalte werden also durch die prämienfreie Versicherung von Kindern und die steuerfinanzierte Prämienbelastungsgrenze von 7 % des Einkommens erheblich belastet. Zur Finanzierung der Reform werden unterschiedliche Modelle in Erwägung gezogen. Möglicherweise soll der Spitzensteuersatz geringer abgesenkt werden als bislang geplant – auf 39 % (vgl. Wikipedia 2005a). Eine weitere Überlegung ist es, den Arbeitgeberanteil der Prämie auszuzahlen und voll zu versteuern (vgl. Kreutz, 2005). Mit den dadurch größeren Steuereinnahmen sollen die Transferleistungen gesichert werden (vgl. Foederland, 2005). Diskutiert wird aktuell auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Durch eine Mehrwertsteuererhöhung werden allerdings einkommensschwache Haushalte im Verhältnis deutlich stärker belastet. Die ausgleichsberechtigten Personen würden damit tendenziell stärker zur Finanzierung ihres eigenen Ausgleichs beansprucht (vgl. Stolterfoht, 2005, S. 98 f). Ob dieses hohe Steueraufkommen von bis zu 40 Milliarden Euro unter den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen politisch umsetzbar ist, bleibt fraglich (vgl. Pfaff & Pfaff, 2004, S. 40).


 3.5    Gewinner und Verlierer des Konzepts der Kopfpauschalen

3.5.1      Wer profitiert

Durch das System der Kopfpauschalen werden Alleinstehende verglichen mit Familien deutlich entlastet. Bereits ab einer Einkommenshöhe von 1500 Euro fällt die Gesundheitsprämie geringer aus als der jetzige Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. Pfaff & Pfaff, 2004, S. 35).

Pflichtversicherte Ehepaare mit höherem Einkommen ab ca. 3000 Euro monatlich, werden im Vergleich derzeitigen System entlastet, da die Prämie für niemanden über 109 Euro liegt (vgl. ebd.). 

Im Vergleich zu Arbeitnehmern werden die Arbeitgeber in der Tendenz entlastet. Wenn es nun wirklich in erster Linie um die Entlastung der Arbeitgeber durch die Minderung der Lohnnebenkosten geht, kann dieses – primär nicht gesundheitspolitische Ziel – auch auf einfacherem Weg verwirklicht werden: Indem die Beträge der Arbeitgeber zur Finanzierung der GKV im derzeitigen System begrenzt werden. Dazu ist keine Umstellung auf Kopfpauschalen notwendig (vgl. Langer & Pfaff, 2003, S.30). Diese Kürzung des Arbeitgeberanteils würde wahrscheinlich jedoch erhebliche Proteste der Arbeitnehmer provozieren. 

Die Arbeitgeber von der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung zu befreien ist gesundheitspolitisch betrachtet jedoch ein fragwürdiges Ziel. Denn: Viele Krankheitsmuster sind „auf die Arbeitsformen und -bedingungen zurückzuführen“ (Langer & Pfaff, 2003, S. 30). Deshalb sollten die Arbeitgeber wenigstens finanziell an der Gesundheitsförderung und Prävention im Betrieb beteiligen. Dies kann eher durch die paritätische Finanzierung erreicht werden (vgl. ebd.).



 3.5.2      Wer ist schlechter gestellt als bisher

Ehepaare werden stärker belastet als bisher, da die beitragsfreie Versicherung des Ehepartners entfällt (vgl. Pfaff & Pfaff, 2004, S. 35).

Niedrige Einkommen werden erheblich mehr belastet. Um diesen negativen Effekten erfolgreich entgegenzuwirken (durch den Einzug von Steuern zur Subventionierung der Prämien für Geringverdiener und Familien) sind unter enormen zusätzlichen Verwaltungskosten letztendlich ähnliche Belastungen und Probleme wie im bestehenden System zu erwarten (vgl. Langer & Pfaff, 2003, S. 30).  

Zusätzliche Kosten würden auch durch die Umstellung von der lohnzentrierten Finanzierung hin zu einer Kopfpauschale mit sich bringen. Das gleiche gilt für die Umstellung des Steuersystems, damit gewährleistet ist, dass eine gerechte Verteilung stattfindet. Die Auseinandersetzung mit einer Veränderung der Gesundheitsabsicherung birgt dabei auch die Gefahr, dass die Bevölkerung stark verunsichert wird (vgl. Pfaff & Pfaff, 2004, S. 46).


 2.6    Bewertung der Auswirkungen

Es hängt maßgeblich von der Ausgestaltung des Konzepts welche Bevölkerungsgruppen wie Familien, Rentner, Vermögende oder Geringverdiener in Zukunft mehr für ihre Gesundheit ausgeben müssen (vgl. Neubacher & Sauber, 2004). 

Hier sollen einige Auswirkungen und Probleme herausgehoben werden, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. 

Positiv hinsichtlich der Demographiefestigkeit ist die Kapitaldeckung zu erwähnen, das heißt, dass die Höhe der Prämie immer den Ausgaben angepasst wird. So wird auch bei hoher Arbeitslosigkeit und immer mehr älteren Menschen einem Defizit bei den gesetzlichen Krankenkassen vorgebeugt. Allerdings wären dabei dennoch steigende Kosten der Krankenversicherung für nachfolgende Generationen wahrscheinlich, wie das Beispiel der Schweiz zeigt (siehe Kapitel 5).

Weiterhin müssten nicht wenige Einkommensstarke sehr hohe Beiträge zahlen. diese Kosten würden jedoch auf indirektem Wege (über die Umlagefinanzierung des Sozialausgleichs) weiterhin für Personen mit mittlerem Einkommen bestehen. 

Durch die dauerhafte Festsetzung des Arbeitgeberanteils auf einen festen Prozentsatz (6,5 %) hätte eine Erhöhung der Arbeitgeberprämien keinen Einfluss auf die Lohnnebenkosten (vgl. Foederland, 2005). Ob dadurch tatsächlich mehr Arbeitsplätze geschaffen würden, bleibt aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Situation indes fraglich. Kritisch gesehen wird nicht zuletzt auch die Aufhebung der hälftigen Beitragszahlung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, zumal dadurch die Arbeitnehmer stärker belastet werden. Dies könnte bei weiteren Prämienerhöhungen zu einer nachlassenden Nachfrage führen und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten negative Folgen verursachen. Auch der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH) fordert die Beiträge weiterhin paritätisch zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu verteilen (vgl. DBSH, 2004, S. 4).


 2.7    Weitere mögliche Probleme

Einfrieren des Arbeitgeberanteils


Die Abhängigkeit der Finanzierung von der Konjunktur (und damit verbundenen Arbeitsplätzen) abzubauen, durch Abkopplung der Gesundheitsversorgung von den Arbeitskosten ist nachzuvollziehen. Ob über die Anhebung des Arbeitgeberbeitrags, weil der Arbeitgeberbeitrag gesenkt wird, tatsächlich die Beschäftigung positiv beeinflusst werden kann ist  fraglich, besonders in Zeiten ohnehin schon stagnierender Binnennachfrage. Durch die Erhöhung der Anteile der Arbeitnehmer oder die Beteiligung im Krankheitsfall wird das verfügbare Nettoeinkommen vermindert und die Arbeitnehmer können weniger Geld ausgeben, d. h. die Nachfrage ist gering. Fachleute (z. B Pfaff & Pfaff, 2004, S. 41 f) befürchten, dass „zumindest kurz- und mittelfristig“ (Langer & Pfaff, 2003, S. 30) eher das Gegenteil bewirkt wird: die Arbeitslosigkeit wird 444ansteigen. Ob die relative Veränderung der Arbeitskosten auf lange Sicht einen beträchtlichen Einfluss auf die Arbeitslosigkeit haben wird, ist nicht gesichert – hier spielen auch andere Bestimmungsgrößen mit hinein (vgl. Pfaff & Pfaff, 2004, S. 42). Zudem konnte in neueren Untersuchungen belegt werden, dass es keinerlei Zusammenhang zwischen der Belastung der Arbeitgeber durch die Gesundheitskosten und der Entwicklung der Arbeitslosigkeit gibt (vgl. ebd. S. 32). 

 Viele Versicherte müssten einen Antrag auf Vergünstigung stellen und würden zumindest psychologisch als Bittsteller dastehen. Teilweise könnte die Entlastung zwar über das Steuersystem erfolgen. Trotzdem müssten diejenigen, die über kein Einkommen verfügen, z. B. StudentInnen einen Antrag stellen (vgl. ebd., S´. 45).  

Bei der Umsetzung der Auszahlung muss weiter die Frage gestellt werden, wie der Einzug des Arbeitgeberanteils umgesetzt werden kann, wenn es sich um eine arbeitslose Person handelt oder nicht Erwerbstätigen (Studentin, Rentnerin) (vgl. Pfaff & Pfaff, 2004, S. 45).

Nicht zuletzt genießt die einkommensabhängige Finanzierung in der Gesellschaft ein hohes Ansehen und wird als wesentlich verlässlicher angesehen, als das steuerfinanzierte System. Denn der steuerfinanzierten Gesundheitsversorgung ist eine „Gesundheitspolitik nach Kassenlage“ (Pfaff & Pfaff, 2004, S. 45) immanent.


4         Zusammenfassung

Das vorangegangene Kapitel hat gezeigt, dass es sich bei dem Modell der „solidarischen Gesundheitsprämie“ der Christdemokraten um ein System einheitlicher, einkommensunabhängiger Pauschalen handelt. Jede/r ist beitragspflichtig, auch wenn kein eigenes Einkommen vorhanden ist. Für die unteren Einkommen greift ein sozialer Ausgleich. Hohe Einkommen, oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze, sind weiter von der gesetzlichen Versicherungspflicht befreit. Arbeitgeber sollen erheblich entlastet werden, dennoch können sie keine weiteren Arbeitsplätze versprechen. Außerdem sind mit dem vorgeschlagenen System erhebliche Kosten für den Staat und damit auch für den Steuerzahler verbunden. 

 
Wie die Umsetzung einer obligatorischen einheitlichen Gesundheitspauschale in der Schweiz aussieht und wie sich diese auf die Gesundheitskosten und das Wirtschaftswachstum auswirkt haben, soll der folgende Teil aufzeigen.

(c) Copyright 2005

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